"Hawaiian
Nights", so nannte der englische Maler John
Kelly sein Bild (links) von einem in der Abenddämmerung am Palmenstrand Ukulele spielenden Mann und einer Zuhörerin. Kein anderes Instrument ist wohl
so sehr mit Südseeromantik verbunden wie dieses. Das hawaiianische Wort
Ukulele bedeutet angeblich "hüpfender Floh". Das, so die am meisten verbreitete Legende, sei der erste Eindruck gewesen, den die Hawaiianer beim Anblick der über
das Griffbrett huschenden Finger hatten, als ein portugiesischer Einwanderer
namens Joao Fernandes am Nachmittag des 23. August 1879 nach viermonatiger
Seereise vor Freude zu jenem kleinen Zupfinstrument griff, das in Madeira,
seiner Heimat, Braguinha genannt wurde, verwandt damit sind das eben so kleine Cavaquinho und das Rajão. Auch unter dem Namen Machete (wie das spanische Buschmesser) kursierten die kleinen Viersaiter.
Nach einer anderen
Überlieferung nannte der hawaiianische König David Kalakaua (1836-1891) den
(in seinen Diensten stehenden) englischen Offizier Edward Purvis Uku Lele (hüpfender Floh), weil der entsprechend umhersprang. Und da auch Purvis die Braguinha
spielte, könnte der Begriff auf das Instrument übertragen worden
sein.
Zur Herkunft des
Wortes Ukulele gibt es noch weitere, etymologische Erklärungen:
So soll Uku auch Geschenk oder Belohnung bedeuten, während lele so viel wie kommen oder bekommen bedeutete. Macht
zusammen: das gekommene Geschenk. Nach einer anderen Theorie nannten
die Hawaiianer bereits ihre dreisaitigen Zupfinstrumente Ukekelele und übertrugen das Wort auf den neuen Viersaiter. Durch fehlerhafte
Aussprache sei daraus kurz Ukulele geworden. Die Uke als
"hüpfender Floh" gilt derzeitig als die bevorzugteste Variante,
schon weil es eine schöne Geschichte ist. Und die wird natürlich gern weitererzählt - und von einer Internetseite zur nächsten kopiert...
Nachdem das Instrument den königlichen Hof erobert hatte, wurde es auch
bei den Untertanen beliebt. An Bord der "Ravenscrag" waren auch drei
portugiesische Handwerker (Manuel Nunes, José do Espirito Santo und
Augusto Dias), die sich infolge der steigenden Nachfrage auf die Herstellung
des Instrumentes spezialisierten und so zu seiner Verbreitung beitrugen.
Beim Nachbau der Braguinha wurden der ursprüngliche Korpus und das
Griffbrett etwas vergrößert, schließlich die Stimmung von
Quint- auf Quartintervalle umgestellt - eine neues, ganz anderes Instrument,
die Ukulele, war das Ergebnis. Vier Jahrzehnte lang dominierte die
"Ukulelenschmiede" von Manuel Nunes (1843-1922) den Bau des neuen Instrumentes.
Popularisierung der Ukulele
USA
Zwei Jahrzehnte nach Gründung der Republik Hawaii (1894, schon bald darauf von den USA annektiert und 1959 per Abstimmung zum 50. Bundesstaat erklärt),
nahm Hawaii an einer Weltausstellung in San Francisco teil - das unscheinbare
Exponat von 1915: eine Ukulele. Hawaiianische Musiker weckten das Interesse am exotischen Instrument, darunter das Königliches Hawaiianische Quartett und Jonah Kumalae, der Ukulelenhersteller war. 1915 gilt als Initialjahr, doch bereits 1893 zur World’s Columbian Exposition in Chicago war die Ukulele präsent.
Schnell erobert die Ukulele die Herzen der Amerikaner.
Bereits in den 1920ern wird sie in vielen Jazzbands gespielt. Zu den legendären Ukulelisten dieser Ära zählen Cliff Edwards, alias "Ukulele Ike", und der Virtuose Roy Smeck. Das handliche Instrument wird in den USA so populär, dass die Ukulele fortan zum Sortiment des Gitarrenherstellers Martin gehört - bei einem für damalige Verhältnisse (1926) durchaus stolzen Preis von 60 Dollar. Ein Lehrbuch aus jener Zeit wirbt mit der Bemerkung, das Ukulele-Girl stehe im Mittelpunkt jeder Party: "Always the life of the party, the center of attraction, is the girl with the Ukulele." Als Accesoir von Pinup Girls
zog die Ukulele auch in die Spinte der Soldaten ein.
Pazifik - Asien - Australien
Von Hawaii und den USA breitet sich die Ukulele im gesamten Pazifikraum aus, über Japan wahrscheinlich nach Südostasien: Südkorea, Singapur und Thailand sind heute Hochburgen der Ukulele. China als Billigproduzent (im Internet ab 12 € das "Stück") trägt ein Übriges bei... Seit 2010 gibt es in Australien das Melbourne Ukulele Festival (März) und das Cairns Ukulele Festival (Juli). In Neuseeland beginnt der Ukulelefrühling des Südens mit dem Hawke's Bay Ukulele Festival (Oktober).
Europa
In Großbritannien sind die Marotten der "Society" schnell ein Muss. Und wenn gar der Prinz von Wales zum exotischen Mitbringsel greift, dauert es nicht lange, bis sich in den Musikläden Londons ein Angebot von Ukulelen findet, in den 1920er Jahren überwiegend von der US-Firma C.F. Martin, aber auch von Manuel Nunes aus Honolulu, Hawaii, erwähnt der Autor einer deutschen "Zeitschrift für Instrumentenbau" (Leipzig 1925)
Der in den 1930er und 1940ern bekannte Schauspieler und Entertainer George Formby trug ein Weiteres zur Popularität der Ukulele in Großbritannien bei, das aufkommende Fernsehzeitalter verstärkte den Effekt, in den 1950ern gehört sie zur Grundausstattung jeder Skiffle-Band - und die Beatles George Harrison und Paul McCartney griffen in den 1960ern im engeren Kreis ebenso gern zum kleinen Viersaiter. Im Vereinigten Königreich finden sich noch heute zahlreiche Ukulele-Clubs, in denen sich die Liebhaber wöchentlich oder monatlich zu Sessions treffen, unter den Teilnehmern überwiegen die Jahrgänge, deren Hits aus den 50ern und 60ern stamen.
Von der Insel schwappte die Ukulelenwelle an die Küsten von Holland und Belgien, wo das Instrument schnell weitere Liebhaber fand. Auch bei den reisefreudigen Schweizern fand sich die Ukulele offenbar schneller ein als im europäischen Durchschnitt ein. Spätestens ein Hollywood-Klassiker aus dem Jahre 1959 machte die Ukulele im übrigen Europa zum Begriff,
in "Manche mögen's heiß" steht die Ukulelistin Sugar Kane (Marylin
Monroe) im Mittelpunkt des komischen Geschehens, welches das Ganovenmilieu der Prohibitionszeit aufs Korn nimmt. Seitdem kennt man in Deutschland die "Jukulele" - in der deutschen Synchronisation wurde die amerikanisierte Ausprache mit der hawaiianischen verwurstelt. In etlichen Ländern Europas - von Finnland bis Frankreich, von Holland bis Polen - gibt es seit wenigen Jahren Ukulele-Festivals.
Deutschland
In Deutschland ist die Ukulele weit länger bekannt als man heute glauben mag. Tatsächlich bauten vereinzelte Manufakturen in Böhmen, im Erzgebirge und im Vogtland schon Ukulelen, bevor der große Boom in den USA begann. In einem Katalog der Weltaustellung in Chicago 1893 finden sich erste Abbildungen von kleinen viersaitigen "Guitarren" der Markneukirchener Firma Paul Stark - der Begriff Ukulele setzte sich erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch, teils wurden die Ukulelen auch als "hawaiianische Mandoline" bezeichnet. Im deutschen Sprachraum war das Instrument zunächst ein Neutrum, also sächlich: "das Ukulele". Dies ist unter anderem der Leipziger "Zeitschrift für Instrumentenbau" (Oktober 1925 zu) entnehmen. Der Verfasser des Artikels verweist dabei auf modische Marotten der britischen "Society" (s. weiter oben).
Die Firma Fritz Strobel aus Klingental stellte in den Jahren 1895 bis 1905 Ukulelen her, desweiteren mehrere Firmen aus Markneukirchen im Vogtland, wo Ukulelen besonders zwischen 1923 bis 1935 zum Nebenprogramm gehörten, überwiegend wohl für den Export in die USA und nach Großbritannien, wo die Ukulele bereits sehr populär war. In den "Golden Twenties" war Berlin ein Mekka für Revue-Künstler aus aller Welt, so mag die Ukulele in der Weimarer Republik häufiger auch auf deutschen Bühnen erschienen sein. Um 1930 erreichte ein Duo namens "Fips & Faps - Die lustigen Vagabunden" eine gewisse Bekanntheit, einer der beiden Brüder spielte Ukulele. Ein weiterer Hinweis ist die Publikation von ingesamt sechs verschiedenen deutschen Ukulele-Schulen: 1925 (Merkelt), 1927 (Hülsen), 1928 (Gregorio), 1931 (Vobersin), and 1945 (Fröhlin)!*
Nahm "der Führer" heimlich Ukulele-Stunden? Das ist KEINE ernstgemeinte Frage! Über Hitlers hausmusikalische Ambitionen ist so gut wie nichts bekannt. Dennoch gibt es eine erwähnenswerte Episode: Das hawaiianische Ensemble Tau Moe Family war zu jener Zeit auf Welt-Tournee und trat dabei auch in höchsten Kreisen auf, so vor Winston Churchil und Mahatma Gandhi - und, ja, auch in Deutschland! Der Sohn von Tau Moe, Lani Moe (1929-2002), lernte Ukulele spielen und soll (dem Alter nach als Kind) bei einer Parade im Mercedes von Hitler mitgefahren sein, lässt sich in der englischsprachigen Wikipedia lesen. Das eventuelle Ständchen für den Führer konnte die Künstler allerdings nicht vor den Häschern der Gestapo bewahren, die bald mitbekommen hatten, dass die hawaiianischen Musiker ihre Priviliegien nutzen, um Juden bei der Flucht aus Deutschland zu helfen. Dank eines Hinweises von Freunden konnten die Musiker während eines Auftritts in letzter Minute durch einen Hinterausgang fliehen. Dem Artikel "Taj Mahal Foxtrot - The Story of Bombay's Jazz Age" zufolge, fand die Begegnung mit Hitler in Berlin bei einer Benefizverstanstaltung für Waisenkinder statt - ein exaktes Datum ist nicht angegeben.
Da die Tau Moe Family von 1836 bis 1938 überwiegend durch den Orient (Ägypten, Palästina, Syrien, Türkei) und durch Osteuropa (einschließlich Russland) reiste, könnte der letzte Stopp in Deutschland im Jahr 1939 liegen, kurz vor Ausbruch des Krieges. Von 1941 bis 1947 lebte die Familie in Indien, die in Kalkutta geborene Tochter Dorian wurde ebenso jung mit auf die Bühne genommen, dann als "The Aloaha Four". Im Film "Die Blume von Hawaii" (ein Musical, BRD 1953) taucht das Trio erneut in Deutschland auf - Moe singt "Bin nur ein Neger"... Die Tournee der Tau Moe Familiy hatte 1927 begonnen, wurde während des Kriegs zu einer Odyssee durch die ganze Welt, fast sechs Jahrzehnte vergingen, bis die Moes ihre Heimat wiedersahen!
Nach dem 2. Weltkrieg gab es in Deutschland bekanntlich andere Probleme als die frühe Ukulelen-Tradition zu beleben. Doch bereits 1950 gibt es eine "Volkstümliche Schule für die Ukulele" von Ernst Hülsen und 1963 eine "Kleine Schule für Ukulele" von Fred Artmeier, letzteres aus dem Verlag Edition DUX und als überarbeitete Auflage noch heute erhältlich. Das zweisprachige Heft (das im Gegensatz zu etlichen anderen heutigen Broschüren auf kitschige Abbildungen verzichtet) bezieht sich auf die traditionelle hawaiianische Stimmung A-D-F#-H, während sich im angelsächsischen Raum mittlerweile die G-C-E-A-Stimmung als "Standard" oder sogenannte "Hawaiian Tuning" durchgesetzt hat. Die bayrische Firma Kollitz, bekannt durch die Ukulelen-Marke "Brüko", verweist ebenfalls auf eine Tradition seit den 1930er Jahren, entsprechend sind die Modelle herkömmlich für die traditionelle D-Stimmung besaitet, es lassen sich aber auch Sätze für die C-Stimmung aufziehen. In der DDR, wo man sich noch in den 1980ern glücklich wähnen durfte, wenn man mal einen Satz Gitarresaiten erstanden hatte, gab es (meines Wissens) weder Hersteller von Ukulelen noch Importware.
Mit dem Fall der Mauer gewann die Ukulele langsam wieder mehr Terrain. Anfang der 1990er waren sie allerdings noch selten in deutschen Musikgeschäften zu finden. Was mich betrifft, so entdeckte ich die Ukulele erstmals Mitte der 1990er (bei einem Konzert des US-Musikers Taj Mahal in Berlin - und am folgenden Tag im Musikladen - ein verhängnisvolles Datum, denn seit dieser Begegnung begann ich die Gitarre an den Nagel zu hängen). Götz Alzmann und andere Fernsehmoderatoren ließen sich gelegentlich mit Ukulele blicken, das mochte ab Ende der 1990er einen ersten Schub in den Musikgeschäften auslösen.
Erst seit einigen Jahren gehört die Ukulele in Deutschland in jeden Musikladen, selbst in Lebensmittel-Discountern lagen Billig-Importe aus Asien schon im Sonderangebot. Im Herbst 2010 zog der Klang der Ukulele mit einem weltweit posthum vermarkteten Hit des Hawaiianers Israel Bruddah Iz Kamakawiwo'ole (Hawaii, 1959 - 1997) auch ins letzte deutsche Wohnzimmer ein. Stammtischtreffen haben den Marotten-Status längst überwunden, zwischen Hamburg und Dresden, Berlin und München gibt es kaum noch weiße Flecken auf der Ukulelen-Landkarte.
Seit Sommer 2005 gibt es den "1. Deutschen Ukuleleclub", ein Kind des Internetzeitalters. Mit steigender Resonanz bündelt der virtuelle Club die Interessen der verstreut wohnenden Enthusiasten, organisiert regionale Treffen, sogenannte "Ukulele Hot Spots". Einige Tausend Liebhaber der Ukulele tauschen sich dort in Foren aus, verabreden sich zu Festivals und anderen Veranstaltungen. Und manchmal begegnen sich sogar wahre "Ukulelogen" und kramen aus alten Büchern, Katalogen oder in Museen sehr Wissenswertes aus, etwa zur Geschichte der Ukulele in Deutschland, was hier (im Verbund mit eigenen Recherchen) zusammengefasst sein soll - Ergänzungen und Korrekturen sind jederzeit willkommen!
Etliche Internetshops haben sich auf das wachsende Interesse eingestellt. Anfang 2010 öffnete in Berlin, mitten im quirligen Stadtviertel Kreuzberg, auch ein richtiger Laden, Leleland, der sich besonders den kleinen Viersaitern widmet und neben Stammtischen auch Kurse für Anfänger anbietet.
* Vielen Dank für die Informationen zur historischen deutschen Ukulele-Literatur von Alex Müller und für Coverfotos deutscher Ukulele-Hefte von Peter Widemeyer. - An Ergänzungen und Korrekturen sowie weiteren Infos und Fotos zu neuen historischen Funden bin ich immer interessiert.
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