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Memoiren aus dem Ukulele-Leben

2015

"Der Unsinn hat ein Ende"

oder

"Agreement" mit dem

Ukulele Orchestra of Great Britain


 

Dank des anno 2005 beginnenden YouTube-Zeitalters wurde ein bereits 1985 gegründetes britisches Ensembe von Ukulelisten plötzlich über den Londoner Tellerrand hinaus bekannt - die Rede ist vom Ukulele Orchestra of Great Britain (UOGB). Zu diesem Zeitpunkt bot ich in Laubegast zu Dresden schon ein paar Jährchen Ukulele-Unterricht an, so dass ich ab 2005 ein Dutzend Kinder auf die Bühne bringen konnte. Anlässlich eines eigens für diesen ersten Auftritt initiierten Frühlingsfestes* in meiner direkten Nachbarschaft nannte ich mein Ensemble kurzerhand Ukulele Orchester Laubegast. Denn mal ehrlich: Was ist schon Großbritannien gegen Laubegast!

Der Hang zu selbstironischer Übertreibung ist nicht nur very british. Auf eine deutsche Bühne schafften es die sieben Londoner erstmals anno 2007 - und zwar im Berliner Varieté-Zelt Tipi am Kamzleramt. Selbiges war ab 2002 der Nachfolger der 1992 eröffneten Bar jeder Vernunft*, ein Varietézelt, das mit schätzungsweise 50 Tischlein etwa 200 Gästen Platz bot und somit ein eher beschauliches Etablissment war, das ich bis zu meinem Umzug nach Dresden selbst gern besuchte. Eines der Auftritte des UOGB im Tipi wurde dann sogar im Fernsehen (sofern ich mich richtig erinnere bei Sat1) übertragen, was der Bekanntheit des in Deutschland bis dahin eher unbeachteten Instrumenes einen gewissen Schub verlieh.

Mit der weltweit steigenden Popularität der Ukulele, die um 2010 auf ihrem Höhepunkt war, nannten weitere Enthusiasten des kleinen Viersaiters ihre Bands Ukuele Orchester, so beispielsweise das Ukulele Orchestra of Sweden oder das Wellington Ukulele Orchestra oder auch das Husumer Ukulele Orchester. Vor allem bekam das britische Ensemble aber auch noch Konkurrenz mit eigenem geographischen Bezug, nämlich das United Kingdom Ukulele Orchestra (UKUO). Letzteres hatte eher eine internationale Besetzung - auf der Suche nach gestandenen Ukulellisten erhielt einst auch ich eine Einladung, der Band beizutreten. Da ich inzwischen mein eigenes Ukulele-Universum errichtete, mein eigenes Orchester nicht im Stich lassen konnte - und überhaupt meine Mission, die Ukulelisierung im Tal der Ahnungslosen, nicht aufzugeben dachte, verzichtete ich auf das Herumtouren unter fremder Regie.

Beide Bands tourten in der Folge durch Europa, wobei sich das United Kingdom Ukulele Orchestra, das lässt sich nicht leugnen, nicht nur im Namen das Ukulele Orchestra of Great Britain nachahmte. Immer wieder riefen mich Freunde und Bekannte an, dass sie Karten für "das Ukulele Orchester aus England" erstanden hatten. Für welches, fragte ich immer zurück. Na, das aus England, erhielt ich jeweils als Antwort. Ich konnte gut verstehen, dass das dem Original, also dem UOGB, gar weniger gefiel, weil da plötzlich ein ähnlich klingender Namen abräumte. In der Folge machte sich der Gründer des UOGB offenbar Gedanken, wie er den lästigen Konkurrenten, der mit dem zum Verwechseln ähnlichen Namen tatsächlich Publikum abschöpfte, in die Schranken weisen könnte. Wie sich dann herausstellte, schoss der Gründer und Manager des UOGB dabei allerdings deutlich übers Ziel hinaus. Doch bevor ich dazu komme, schweife ich noch kurz zu einem Auftritt des UOGB ab.

Im Mai des Jahres 2013 gastierte das Ensemble im Rahmen der (ansonsten eigentlich hochkarätig besetzten) Dresdner Musikfestspiele in der altehrwürdigen Semperoper. Mir wurden damals von verschiedener Seite Freikarten angeboten, unter anderem von einem Mitarbeiter der PR-Agentur der Musikfestspiele, der sich damit für meine Texte zur Geschichte des Instrumentes bedanken wollte. Aber ich hatte das UOGB bereits zur Genüge in YouTube-Videos gesehen und war nicht der Auffassung, dass es für mich ein bereicherndes Erlebnis sei, in der Semperoper zwischen schnieke gekleideten Nicht-Ukulelisten herumzusitzen und sieben Musikern aus London bei etwas zuzuschauen, was ich mit meinem Schülerensemble ebenso unterhaltsam bieten konnte. Ich fand die Darbietung der Briten originell, aber ich hatte andere Vorbilder.

Der Rezession eines Redakteurs von "Focus online" zufolge verfügten die Mitglieder des UOGB bei diesem Konzert "jeder für sich auch über ausgezeichnete sängerische Qualitäten." : "Die Semperoper stand Kopf", ergänzte der Autor. Was immer Auf-dem-Kopf-stehen nun wieder heißen soll, ist ein anderes Thema. Unter den von den Londonern selbst publizierten Videos überzeugte mich besonders die Aufführung des 70er-Jahre-Hits "Peace Train". Ja, das war verdammt gut gemacht - und von keinem Geringen als Cat Stevens selbst gesungen.

Die Auftritte meines Schülerensembles hatte ich seinerzeit mit der selbstironischen Glorifizierung eines "in Laubegast weltberühmten Ukulele Orchester Laubegast" angekündigt. Mit teils zwei Dutzend Ukuleleisten zwischen 7 und 70 Jahren auf den Bühnen der lokalen Straßenfeste zogen wir damals durchaus einige Aufmerksamkeit auf uns. Zeitungen und Internetseiten kopierten die Ankündigungen ohne das selbstironische Augenzwinkern in Gestalt von Anführungsstrichen - und so war das Ukulele Orchester Laubegast dann im Internet tatsächlich "weltberühmt".

Tja, und dann erhalte ich eines schönen Tages, im Wonnemonat Mai, anno 2015, eine Email von einem Mister Georg Hinchliffe, dem Gründer und Manager des Ukulele Orchester of Great Britain. Eujeujeu! Was wollen die den jetzt von uns? Brauchen sie vielicht eine "Vorband"? Der tatsächliche Grund des Schreibens war, dass Mister Hinchliffe offenbar nicht nur das United Kingdom Ukulele Orchestra als Konkurrenz empfand, sondern auch das in Laubegast weltberühmtes Ukulele Orchester Laubegast.



Mit anderen Worten: Der Manager des Ukulele Orchestra of Great Britain maßt sich demnach an, allen Musikern der Welt die Bezeichnung "orchestra" im Bandnamen nur unter bestimmten freundschaftlichen Vereinbarungen zu erlauben. Der deutschen Übersetzung folgte die englische Übersetzung, von der hier nur die Aufforderung zur Kontaktaunahme zwecks amicable agreement zitiert sei:



Erst wollte ich das amicable agreement völlig ignorieren, aber dann dachte ich mir: Vielleicht könnte dabei etwas für mich herausspringen! Als Musiker weiß ich: Der Ton macht die Musik! Also gab ich mir große Mühe, eine Antwort zu verfassen, die britischen Höflichkeitsnormen gerecht werden sollte:

Sehr geehrter Herr Hinchliffe,

es erstaunt und ehrt mich zugleich, dass Sie mit mir eine freundschaftliche Vereinbarung zum Gebrauch des offenbar in Ihrem alleinigen Eigentum befindlichen Wortes „orchestra“ treffen möchten - und das für mich sogar noch kostenfrei. Es war mir bislang nicht bekannt, dass Sie der geniale Schöpfer des Wortes „orchestra“ sind. Daher möchte ich Sie hierzu beglückwünschen und zur Schaffung weiterer Worte dieser Einmaligkeit ermutigen.

Da Sie mir bisher völlig unbekannt sind, bitte ich Sie um einen kleinen Vertrauensvorschuss. Ich dachte dabei an die Krone Ihrer Königlichen Majestät, Queen Elizabeth II. Vergessen Sie bitte nicht, eine notariell beglaubigte Schenkungsurkunde beizufügen. Und damit die Krone der Königin unbeschadet bei mir ankommt, empfehle ich, das Paket mit den 24 Lieblingshüten Ihrer Majestät auspolstern zu lassen. Sobald das Paket wohlbehalten bei mir eingetroffen ist, melde ich mich bei Ihnen und wir können gern die Details Ihrer freundschaftlichen Vereinbarung verhandeln.


Yours sincerely
Der mit der Ukulele




Offensichtlich war der Manager und Gründer des UOGB überwiegend damit beschäftigt, seine gegen etliche Ukulele Orchester der Welt gerichtete Klage zu verlieren. Ein vom Managment des United Kingdom Ukulele Orchestra veröffentlichter Artikel klärte wenige Monate später über das Ende des irrwitzigen Debakels auf. Den deutschen Text von der Internetpräsenz des TUKUO speicherte ich am 31.1. 2016. Ich gehe davon aus, dass der Artikel da schon eine Weile im Netz war. Die originale Seite konnte ich nicht wieder finden, daher habe ich den Text im Ganzen gescannt und bette ihn im Folgenden als Zitat ein.








Das in Laubegast weltberühmte Ukulele Orchester Laubegast hatte sich ohnehin nicht einschüchtern lassen. Ich hatte mein Ensemble im Zuge personeller Verkleinerung auf "nur noch" ein Dutzend Mitspieler schon vor 2015 nicht mehr genutzt, sondern längst in "Die mit den Ukulelen" umbenannt.

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