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Memoiren aus dem Ukulele-Leben

1999

Wegweiser


nach Ukulelestan


 
 

Meine erste Begegnung mit einer Ukulele geht in den Sommer 1999 zurück. Dass diese Begegnung meinen musikalischen Lebenswandel prägen wird, konnte ich damals nicht ahnen. Dass ich nur wenige Jahre danach zu den Vorreitern einer Bewegung gehöre, die dazu führte, dass die kleinen Viersaiter im Weihnachtsangebot der Lebensmittel-Discounter auftauchten, war ebenso wenig vorherzusehen...

Wegen meiner in jungen Jahren begründeten romantischen Südsee-Schwärmerei hatte ich das Instrument schon lange auf dem geistigen Bildschirm. Ungezählte Abbildungen in Büchern brachten mir das kleine Zupfinstrument vor Augen, ich hatte Tonaufnahmen gehört und kannte das Instrument dem Namen nach. Natürlich war mir auch der Kinoklassiker von 1959 bekannt, in dem eine blonde Hollywood-Diva namens Marilyn Monroe ihre "Jukulele" gekonnt um ihre Hüften kreisen ließ. Bis ich selbst meine erste Ukulele gekonnt um meine Hüften kreisen ließ, verging noch eine ganze Weile. Hier erzähle ich also die Geschichte, wie ich zu meiner ersten Ukulele kam.

Für diese besondere Episode braucht es eine Rückblende ins vorige Jahrhundert - nämlich in den Sommer 1999. Ich lebte damals in Berlin, bestritt meinen Lebensunterhalt von musikalisch geschäftlichen Gelegenheiten - von der MuGGe, wie man zu jener Zeit zu sagen pflegte. In den zahlreichen Pubs und Kneipen Berlins stand ich regelmäßig hinterm Mikrofon, sei es als Gast bei anderen Musikern, sei es solo, später überwiegend mit Band. Es lief einigermaßen, ich kam um die Runden. Ich kannte die Musiker-Szene der Stadt und die war sehr international. Ich spielte bei den Jam Sessions der anderen Musiker, sie jammten bei meinen. Und wenn Geld übrig blieb, leistete ich mir auch mal eine Eintrittskarte für die berühmten Musiker aus der großen weiten Welt, die manchmal auch in kleine Clubs kamen - zum Beispiel ins legendäre Quasimodo, dem unterirdischen Jazz-Treffpunkt im Herzen von Berlin Charlottenburg, wo, dicht gedrängt, kaum mehr als 300 Besucher hineinpassten. An jenem Mittwoch, dem 7. Juli 1999, wurde es rammelvoll.

Als ich damals ebenda ein Konzert von "TAJ MAHAL & THE HULA BLUES BAND" erlebte, ahnte ich nicht, dass für mich an diesem Abend eine erste Weiche nach Ukulelestan gestellt war. Auf der zufällig wieder gefundenen Eintrittskarte entdecke ich den historischen Termin.
 


Der für damalige Zeit ziemlich exklusive Eintrittspreis (im Vorverkauf 40, an der Abendkasse 45 Mark) erwies sich schon im Vorprogramm als jeden Pfennig wert. Als "support act" traten "LINDA TILLERY & THE CULTURAL HERITAGE CHOIR" auf - Folk, Blues, Gospel a cappella. Mit einem Minidisc-Recorder hatte ich sogar den gesamten Auftritt des Ensembles mitgeschnitten - an mir ist eigentlich ein Musikethnograph verloren gegangen. Damals konnte ich gar nicht genug bekommen von all den exotischen Klängen aus fernen Ländern...

Das Gedrängel an der Bühne war zunächst anstrengend. Einige Mädels drängelten sich plappernd nach vorn - wollten sie gesehen werden? Ich selbst stehe bei Konzerten auch gern vorn in der ersten Reihe, aber ganz gewiss aus einem anderen Grund als die Mädels. Ich sehe den Musikern gern auf die Finger, den Sängern in die Augen. Die Band* von Taj Mahal spielte elektrifiziert und mit Schlagzeug, wie es für Rhythm & Blues üblich ist - nach dem Acapella-Vorprogramm musste man seine Ohren erstmal an den Druck aus den Lausprechern gewöhnen. Ein rechts im Hintergrund Akkorde schrammelndes Trio von Ukulelisten gab der Band zwar exotische Würze, prägte aber den Klang der Band nicht.

Am nächsten Tag ging ich in einen kleinen Westberliner Musikladen - leider erinnere ich mich nicht mehr, wie er hieß und wo er genau war. Ich hatte mitnichten die Absicht, eine Ukulele zu kaufen. Und damals gehörte die Ukulele auch noch lange nicht zum Standard-Angebot der Musikläden. Doch ich brauchte neue Saiten für die 12-saitige Gittarre,** die mir damals ein in Berlin lebender Musiker aus New York für einige Jahre überlassen hatte. Nachdem ich bereits die Saiten für die Gitarre gefunden und bezahlt hatte, fiel mir etwas auf, das an der Wand hing und so aussah wie die Ukulelen, die ich am Vorabend im Konzert gesehen hatte.

Obgleich die Ukulelen beim Konzert klanglich wie sichtlich im Hintergrund geblieben waren, hatten sie in mir doch einen bestimmten Eindruck hinterlassen. Also griff ich nach der Ukulele, versuchte die Stimmung herauszufinden, hängte das kleine Ding wieder zurück in die Wandhalterung und wollte zur Tür hinaus. Ich drehte mich wieder um, nahm das kleine Instrument erneut von der Wand. Vielleicht ging es mehrmals so hin und her. Auf dem Preisschild stand: DM 125,-

Eigentlich war für mich schon das Konzert eine Ausgabe außer der Reihe. Dass nun ausgerechnet in diesem Lädchen eine Ukulele an der Wand hing, war schon ein seltener Zufall. Die Neugier siegte letztlich über den Geiz. Und so wurde ich an diesem - aus heutiger Sicht historischen - 8. Juli 1999 Besitzer einer Ukulele. Es handelte sich um ein Instrument der Marke Brüko, Serienbezeichnung: Nr. 4.

Nachdem ich die ersten Akkorde beherrschte, wurde diese Ukulele mein ständiger Begleiter - bei jeder Mugge und bei jeder Session. Zunächst hatte die Ukulele eine Nebenrolle. Meine Band war anfangs skeptisch über meine Ukulele-Einlagen. Manchem Blues-Freund mag es frevelhaft erscheinen, wenn man bei Robert Johnsons "Sweet Home Chicago" mit dem Bottleneck über die kurzen Saiten einer Ukulele rutscht. Das Publikum staunte allerdings und bald freundeten sich auch die Musikerkollegen mit meinem neuen Sonderling an.

Dass meine Ukulele eines Tages meine Gitarre eifersüchtig machen könnte, war damals noch unvorstellbar. Doch das war nur eine Frage der Zeit. Es dauert noch etwa 10 Jahre, bis weitere Musiker mit Ukulelen nach Deutschland kamen und die Ukulele langsam in den deutschen Medien wahrgenommen wurde - ab 2005 wurde Youtube zum Sprungbrett einer neuen Szene, die Ukulele kam von Hawaii üner die Meere - und begann ihren Siegeszug um die Welt. Als erster und lange Zeit wohl einziger deutscher Ukulele-Lehrer war ich der späteren Modeerscheinung ein paar Nasenlängen voraus - endlich war ich mal zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Und die größten Skeptiker der Ukulele? Spielen heute selbst Ukulele - mit Herz und Seele.


* Die Besetzung wurde auf der einstigen Website des Quasimodo (nach Neueröffnung 2015 nicht mehr dokumentiert) wie folgt angegeben: Taj Mahal (voc, dobro, harp), Rudy Costa (curv-so, a-sax, panpie, kal, cl, fl), Poncho Graham (b), Pat Cockett (l-ukulele), Michael Barretto (b-ukulele), Wayne Jacintho (t-ukulele, slack key g.), Fred Lunt (hawaiian steel g), Kester Smith (dr).

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Bei der Gitarre handelte es sich um einen Guilt aus den 1960ern, die mir mein Musikfreund Nick Katzman aus New York zur Verfügung stellte. Damit wollte er mich über den Verlust eines anderen Meisterwerks des Gitarrenbaus hinwegtrösten - und das ist ihm auch gelungen. Meine Washburn, ein Remake aus den 1890ern, hatte ich erst zwei Jahre zuvor, 1994, gekauft - sie wurde mir am ersten Tag einer Dänemark-Tour, im April 1996, in Kopenhagen geklaut, mitten in der City, direkt vor dem Eingang des Hotels! Es handelte sich um eine limitierte Neuauflage der ersten Westerngitarre des Herstellers - unersetzlich! Zu ihren besonderen Merkmalen gehörte die schlanke Form des Korpus, wie sie im 19. Jahrhundert bei Konzertgitarren üblich war. Dank des dennoch breiten Griffbretts ließ sie sich wie eine Konzertgitarre greifen, perfekt für mich. Etwas Vergleichbares würde heute wahrscheinlich das Drei- oder Vierfache kosten.

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