Kitzingen, ein
paar Autobahnminuten östlich Würzburg, ist die bayrische Wahlheimat
der Ukulele. Dutzende Instrumente hatte ich dort
im Verlauf der Jahre für meine Schüler bestellt. Da lag es nahe,
die Menschen einmal persönlich kennenzulernen, deren Handwerk so viele Musikfreunden in aller Welt einen soliden Einstieg oder eine Bereicherung ihres musikalischen Lebensweges verdanken.
Im Juli 2009 besuchte ich auf der Durchreise erstmals Kitzingen, wo die bayrische Ukuleleen-Werkstatt Brüko ihren Sitz hat. Damals lebte ich in der romantischen Vorstellung, die Produktion so kleiner Instrumente könne nur in der Werkstatt stattfinden, die sich in einer Altstadtgasse befindet. Tatsächlich hat das mittelalterlich geprägte Städtchen viele schöne alte Gassen und Häuser. Doch
das Familienunternehmen befindet sich in einem
Gewerbegebiet am Rande der kleinen Stadt. Dort gibt es dafür um so mehr Platz zur Lagerung des Holzes.
Bereits zwei Jahre zuvor hatte ich einen spontanen Besuch versucht, aber es war Sommer und Urlaubszeit, vielleicht auch nur die falsche Uhrzeit. Zwei Autos und ein Anhänger im Hof sowie der Blick durch die Fenster
der beleuchteten Werkstatt verraten mir, dass ich diesmal nicht vor
verschlossenen Türen stehen werde. Ein großer Hund, der neben dem Eingang wacht, erhebt sich von seinem Ruhelager, bekundet
Interesse an meinem Besuch, gibt aber keinen Laut von sich, als
ich mich der Tür nähere und die Klingel drücke. Warum sollte er auch Kundschaft vergraulen.
Frau Pfeiffer,
mit der ich schon öfters telefoniert hatte, um Ukulelen zu bestellen,
öffnet mir, führt mich in ihr Büro und übergibt mich
nach herzlicher Begrüßung an ihren Mann, der gerade an einer
Schleifmaschine arbeitet. Daneben einige Stapel jener Instrumententeile,
deren Größe - oder besser Kleinheit - mir wohlvertraut ist:
Griffbretter und Zargen, Böden und Decken von Sopran-Ukulelen, den
kleinsten Mitgliedern der Ukulelen-Familie. Ein Stück weiter ein Stapel
unbearbeiteter Holzscheiben, noch mit Rinde an den Kanten. Kann man sich
vorstellen, dass daraus einmal ein so liebliches Instrument wird? Läge
der Stapel an die Wand einer Waldhütte gelehnt, hielte man die flachen
Klötzer für gewöhnliches Kaminholz.
Aber wo sind die Mitarbeiter? Schon im Urlaub? "Früher arbeitete unser
Sohn mit, aber der hat heute beruflich andere Interessen," antwortet Herr
Pfeiffer. Etwas Wehmut meine ich da mitzuhören, denn die Zukunft eines
traditionellen Handwerkes im Familienbetrieb liegt üblicherweise in
den Händen familiärer Nachkommen. Zunächst habe ich den Eindruck,
als hätte ich Herrn Pfeiffer etwas aus der Routine gerissen, doch schon
wenig später scheint mein Besuch eine willkommene Abwechslung zu sein. Ich erfahre
einiges über die verwendeten Holzarten und über zierliche, sogenannte
Riegelungen, die quer zur Maserung verlaufen. Zur Geltung kommt dieses filigrane
Werk von Meister Natur erst nach dem Polieren von fachmännischer Hand.
Ein Kunstwerk, das dem Auge wie dem Ohr gleichermaßen schmeichelt,
wird es erst, wenn alle Teile zusammengefügt sind und wenn die Saite gut gestimmt und eigespeilt sind.
Ebensolche Meisterstücke präsentiert mir Herr Pfeiffer als
nächstes. Darunter Sonderanfertigungen, ganz nach individuellen
Wünschen eines Kunden, oder aber Entwürfe außer der Reihe:
"Manchmal lasse ich meiner Phantasie freien Lauf und bastele etwas zusammen,
wie es mir in den Sinn kommt." So entstand auch ein an die beliebte "Brüko
Nr. 4" angelehntes Modell, deren Kennzeichen ein leicht gewölbter Boden
ist, wie man ihn von Streichinstrumenten kennt, mit einem etwas flacherem
Korpus allerdings, die Dreiviertel-Variante zwischen der normalen und der
ganz flachen, welche ein Händler in Skandinavien bevorzugt. Das Ganze
ist aus einem sehr hellen, zart gemaserten Ahorn und mit einem längeren
Griffhals ausgestattet, der eigentlich zur Tenor-Ukulele gehört. Herr
Pfeiffer bittet mich, den Sonderling zu testen, seinen Klang zu beurteilen.
Doch die Stimmung der Saiten ist noch nicht stabil genug, da wäre ein
Urteil vage. Dafür bemerke ich einen Ton, der nur kurz anklingt und
gleich wieder verstummt - möglicherweise ein Materialfehler der Saite,
"Das kommt ab und zu vor, man merkt es erst beim exakten Stimmen,"
bestätigt Herr Pfeiffer - und zieht sofort eine neue Saite auf.
Dann zeigt er mir etwas noch Ungewöhnlicheres, eine Ukulele, deren Boden
und Zarge aus Mooreiche gefertigt sind. Dabei handelt es sich um Eichenholz,
das Jahrtausende in Sümpfen überdauert hat und durch den Einfluss
von Huminsäuren unter Luftabschluss eine tiefbraune bis schwarze Farbe
annimmt, je nach Dauer der Einwirkung. Das für diese Ukulele verwendete
Holz ist 15000 Jahre alt und zeigt im Neonlicht der Werkstatt einen
moosgrünen Schimmer - in jedem Fall eine Rarität. Wegen der Höhe
der Zarge ist das Modell ein fetter Brummer unter den Uken. Auch dessen Klang
soll ich nun prüfen. Auf den ersten Eindruck fällt mir dabei nichts
Außergewöhnliches auf. Obgleich das Auge wohl immer mithört,
gehe ich dabei ganz emotionslos vor. Aus eigener Erfahrung weiß ich
um das seltsame Phänomen, dass ein hölzernes Instrument erst nach
längerem Einspielen seinen speziellen Klang entfaltet und dass es nach
Jahren eine Art Patina ansetzt, die es unverwechselbar macht - ähnlich
also, wie man es einem gut gelagerten Wein nachsagt. Doch Fachsimpelei ist
weder meine Intention noch die des Baumeisters.
Wie verhält es sich eigentlich mit den Weltmarktpreisen bei
instrumenttauglichen Hölzern? "Wegen des Platzes, den ich hier habe,
konnte ich Anfang der 90er, als die Preise noch erschwinglich waren,
größere Mengen einlagern. Ohne diesen Vorrat müsste ich meine
Preise heute deutlich anheben, dann hätte ich sicher ein Problem," antwortet
Herr Pfeiffer. Viele Produkte aus Fernost schwemmt die Globalisierung heute
an unsere Gestade, aus Spanholz am Fließband hergestellt, manchmal
sogar im Lebensmittel-Discounter erhältlich - für Kleingeld. Das
spricht für die gestiegene Popularität der Ukulele, doch den Namen
Instrument verdienen solche Billigwaren nicht. Stattdessen nähren sie
das Klischee, eine Ukulele sei halt nur eine Spielzeuggitarre für
Kinder.
Ein Jahr zuvor, zur Frankfurter Musikmesse, bekam ich eine Ukulele der
legendären Gitarrenmarke "Martin" in die Hände. Elegant sah sie
aus, die Decke aus matt belassenem Kirchholz, dezente Intarsien strömten
einen Hauch von Noblesse aus. Ihren Klang konnte ich im lärmenden Gerassel
des Ausstellungsbetriebes nicht beurteilen. Der erfragte Preis der rosé
leuchtenden Schönheit hob sie unweigerlich in die Klasse der
Exklusivität: 2500 Dollar! "Martin lässt heute auch in Mexiko
produzieren," ergänzt Herr Pfeiffer auf meine Schilderung und reicht
mir eine aus dem Büroschrank, ein lackiertes Serienmodell älteren
Jahrgangs, vielleicht ein Muss für Sammler - und allemal tauglich als
Requisite für "Manche mögen's heiß"-Inszenierungen.
Weitere Unikate gehen durch meine Hände, jedes eine Augenweide für
sich, ein Blickfang für Liebhaber des viersaitigen Instrumentes. Ein Exemplar flüsterte sogar ganz
leise: Nimm mich mit! Ich will für immer die Deine sein! Gut..., das mag Einbildung sein, die Halluzination eines
Enthusiasten, aber bei der schönen Langen aus weißem
Ahorn, da muss Herr Pfeiffer jenes leise Flüstern auch gehört haben.
Und hier kann man sehen, welche Arbeit in jedem Instrument steckt.
Hier nimmt alles seine Form
an: Brüko-Werkstatt in Kitzingen.
"Meister Brüko": Herr
Pfeiffer zeigt mir eine seiner Sonderanfertigungen, die er nach individuellen
Wünschen von Kunden anfertigt.
Prähistorische Hölzer:
Der Corpus einer der Sonderanfertigungen ist aus Mooreiche, etwa 15 Tausend
Jahre alt.
Das Auge hört mit: Bei
den Klangproben schließe ich die Augen und bemühe mich um
bestmögliche Objektivität.
Ihr Flüstern war leise,
aber hörbar: Nimm mich mit!
Text und Fotos: Der mit der Ukulele (Aug. 2009), Video: Kollitz/Brüko (Juli 2011)