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Memoiren aus dem Ukulele-Leben

2007

Ein Galgen

vor dem Fenster


 

Unter dem Titel "Zuhause in Laubegast" produzierte der MDR im Sommer anno 2007 eine neue Folge seiner Heimat-Reportagen. Der an der Elbe gelegenen Dresdner Stadtteil Laubegast, in dem ich seit Ende 2000 wohne, hatte infolge der Hochwasser von 2002 und 2006 einige Schlagzeilen gemacht. Aber auch infolge einiger Aktivitäten, die sich im kulturellen Umfeld von Sandsäcken, Gummistiefeln und Schubkarren fast zwangsläufig ergeben, zog die Aufmerksamkeit an.

Mit dem Straßenfest für Kinder, das ich seit 2005 zum Mai-Feiertag auf der Straße vor meinem Ukulele-Domizil organisierte, war auch mein Ukulele Orchester Laubegast bekannt geworden. Der im Stadtteil wohnenden MDR-Redakteurin ist das nicht entgangen. Und somit wollte sie für ihre Reportage auch mich mit meinen Ukulele-Schülern mobilisieren. Damit war die Fernsehfrau durchaus der Zeit voraus, denn zu jener Zeit war die Ukulele noch nicht in aller Munde. Eine Reportage über Laubegast wäre ohne Ukulelen aber damals schon so unvollständig gewesen wie Paris ohne Eifelturm.

Drehtag wurde ein Samstag, der 7.7. 2007. Termine dieser Art sind für Eheschließungen beliebt - und so fiel auch die Hochzeit einer meiner Kusinen auf dieses Datum. Eigentlich hatte ich zugesagt, das volle Programm - vom Standesamt bis zur Party im neuen Eigenheim auf dem Lande - mit durchzuziehen. Meine Zeit für den Dreh des MDR-Teams war also begrenzt.



Klappe, die erste

Alle Kinder wollten dabei sein. Sie für eine Stunde am Samstagvormittag zu mobilisieren war kein Problem. Für eine Szene hatte sich die Redakteurin Folgendes ausgedacht: Der Ukulele-Lehrer führt seine Ukulelenhorde im Laufschritt aus dem Hof und dann eine schmale Sandsteintreppe ans Ufer der Elbe hinunter - ein bisschen wie in einschlägigen Fernsehshows. Der erste Anlauf klappte nicht so nahtlos, wie man das beim Fernsehen gern hat, der zweite war akzeptabel. Doch es brauchte einen weiteren Dreh, damit man es auch eine zweite Kameraperspektive gibt. Und auch davon sollte es eine Alternative geben. Also hieße es etliche Male "Treppe runter, wieder rauf, wieder runter." Für Kinder werden solche Aktionen schnell langweilig. Zwei Dutzend Kinder für weitere Einstellungen bei Laune halten, ist auch für eine alten Rampensau wie mich nicht ganz ohne Nervenverschleiß. Eine zweite Kamera hätte die Sache sehr vereinfachen können.


Als die Sache endlich im Kasten war, glaubte ich, mich nun dem familiären Programm widmen zu können. Doch die Redakteurin ließ mich wissen, sie habe einen weiteren Teil geplant, in welchem ich mit meinen Schülern im Unterricht bei mir zuhause gefilmt werden sollte. Ich antwortete, ich könne nicht über die Zeit meiner Schüler verfügen, als hätten die am Wochenende keine anderen Vwerabredungen. Ja, erwidert die Redakteurin, man habe da aber schon aufwendige technische Vorbereitungen geplant - man wolle einen Kran mit einer daran befestigten Kamera aufbauen, um damit quasi einen Flug von draußen durch mein Fenster in meine Stube zu simmulieren. Eine schöne Idee, räume ich ein, allerdings zur Unzeit, denn ich bin zu einer Hochzeit eingeladen und die beginnt um 11 mit der standesamtlichen Trauung in Freiberg, einer 40 Kiolometer entfernten Kleinstadt...

Damit bringe ich die Redakteurin in ernste Verlegenheit. woher sollte ich wissen, dass ich und meine Schüler bis in den Nachmittag hinein "verplant" sind! Als Alternative biete ich eine Verschiebung auf den späteren Nachmittag an, also nach Rückkehr von meinem familiären Programm. Gut, mit der Begründung, ich müsste meine Teilnahme am Gesamtprogramm der Hochzeit wegen eines Termin beim Fernsehen etwas abzukürzen, stoße ich bei den Hochzeitsgästen gewiss auf Verständnis... Doch es bleibt noch immer die Verfügbarkeit meiner Schüler zu klären. Drei der in unmittelbarer Nachbarschaft wohnenden Kinder sagen nach Rücksprache mit ihren Eltern zu.

Ich bin zur vereinbarten Zeit zurück am Drehort. Meine Schlüer sind ebenfalls pünktlich, der schwenkbare Galgen für die Kamera ist noch nicht ganz einsatzbereit, aber man kann schon erkennen, wie es laufen soll. Die Kinder, zwei Mädchen und ein Junge, sind dank einiger Auftrittserfahrungen routiniert. Trotz weiterer Verzögherungen kann ich sie bei Laune halten. Auch die Techniker des Senders, zwei Männer, die jetzt samt diverser Ausrüstung auch noch in meiner kleinen Stube hantieren, können gut mit Kindern umgehen. Natürlich ist es für die Kinder spannend, das ganze Drumherum zu beobachten. Wann sieht man solche Gerätschaften schon mal aus der Nähe!
 

 
Klappe, die zweite

Dann wird es ernst. Plötzlich schwebt die auf den fünf Meter langen Galgen montierte Kamera ins Fenster und wir tuen zum wiederholten Mal so, als seien wir ganz in unsere Unterrichtslektionen vertieft. Am Ende des Drehs sind alle froh, dass es geschafft ist - und bleiben gespannt auf den Tag der Sendung.



Die große Enttäuschung


Die Sendung ist für alle Beteiligten eine Enttäuschung. Zwar ist die am Vormittag gedrehte Sequenz an der Sandsteintreppe zu sehen, aber die unter beachtlichem Einsatz von Technik und Zeit gedrehten Szenen des Nachmittags fehlen gänzlich. Wer immer weshalb entschieden hat, auf diesen Teil der Arbeit zu verzichten, wir werden es nicht erfahren. Mir selbst ist es ziemlich egal. Denn ich hatte schon in den 90ern Einblicke hinter die TV-Kulissen und weiß daher, dass beim Fernsehen einiges nicht so läuft, wie es den Zuschauern nachher verkauft wird.

Das selbst gedrehte Video, das etwa zeitgleich entstand, mag einen Eindruck davon vermitteln, wie es damals in Ukulelestan zuging. Ja, es konnte laut werden mit einem halben Dutzend Mädchen in der Stube. Dafür war es meistens lustig - und da kann man ja mal ein Ohr zudrücken.
 

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